Story Mapping – Wie fasst man die Anforderungen an eine Software für die Umsetzung zusammen?

In diesem Beitrag soll es weniger darum gehen, die Durchführung der Methode des Story Mapping oder auch User-Story Mapping zu erklären. Er soll eher dazu dienen, ein paar Hintergründe zu erläutern, zu erklären wofür wir Story Mapping Workshops durchführen, welchen Mehrwert ein solcher Workshop unseren Kunden bringt und was wir damit erreichen wollen.

Wie wir Story Mapping Workshops durchführen und wie der grobe Ablauf ist, erläutern wir in einem anderen Blogbeitrag.

Was ist Story Mapping?

Story Mapping ist eine Methode um Visionen teilen zu können und Produktideen zu vermitteln und zu verfeinern. Sie wurde initial vor einigen Jahren von Jeff Patton vorgestellt und das Ergebnis ist eine strukturierte Übersicht über das Vorhaben, die Beteiligten Personen und deren Anforderungen. Diese Übersicht ist auch für technische Laien leicht verständlich und ermöglicht, sicher über einzelne Aspekte austauschen und sich in Details zu verlieren und auch, ohne das Große und Ganze aus dem Auge zu verlieren.

Mit dieser Übersicht, also der Karte oder im englischen Map, kann beispielsweise im Rahmen einer Softwareentwicklung weiter gearbeitet werden. Über den gesamten Entwicklungsprozess hinweg, kann die Map zum Abgleich des gemeinsamen Verständnisses dienen und sie kann sich mit der Zeit verändern, ganz so, wie sich größere und komplexe Projekte im Laufe der Entwicklung ebenfalls verändern.

Worum geht es im Kern?

Der Mensch erzählt sich seit jeher Geschichten, um Informationen und Inhalte zu transportieren und zu vermitteln. Schon vor tausenden von Jahren haben die Menschen um Lagerfeuer gesessen und sich Geschichten erzählt.

Das Gehirn hat sich über die Jahrtausende darauf eingestellt und verarbeitet und merkt sich daher Geschichten hervorragend. Je bildhafter der Erzähler die Geschehnisse darstellt, desto mehr hängen die Zuhörer an seinen Lippen und tauchen ein in seine Welt, in die Situation die er beschreibt.

Auch heute noch hat das Erzählen von Geschichten sowohl als Marketing-, als auch als Führungselement oder bei Rhetorikern einen festen Platz, neudeutsch auch „Storytelling“ genannt. Ein herausragendes Beispiel für die Wirkung einer solchen Geschichte ist eine der berühmtesten Reden von Steve Jobs, in der er 2005 in der Stanford-Universität in Form von drei kurzen Geschichte den Absolventen Lebensweisheiten vermittelte, an die sich wohl alle Zuhörer ihr Leben lang erinnern werden.

Das gleiche Konzept, also das Erzählen von Geschichten anhand eines roten Vorhaben-Leitfadens bildet die Basis des Story Mapping. Durch einzelne Stichpunkte werden Abläufe und Zusammenhänge vermittelt und zur Diskussion darüber eingeladen, um ein besseres und gemeinsames Verständnis herzustellen. Durch Nachfragen und Verständnisfragen werden diese Stichpunkte immer detaillierter und verständlicher.

Wofür ist es gut?

Um erfolgreich und gemeinsam, also mit mehreren Beteiligten oder in einem Team ein Vorhaben zu bewerkstelligen, ist ein gemeinsames Verständnis unerlässlich. Dabei ist es nebensächlich, ob es sich um die Entwicklung eines Produktes oder die Entwicklung einer Software handelt.

Dabei geht es nicht nur um das Verständnis für Details, sondern gerade auch den Kontext, das Große und Ganze, um an Scheidewegen die richtigen Entscheidungen im Sinne des gemeinsamen Zieles treffen zu können.

Fehlt das gemeinsame Verständnis werden unter Umständen Dinge korrekt umgesetzt, die aber am Ende möglicherweise nicht im Sinne des gemeinsames Zieles sind. Ähnlich wie mit einem Buch, jeder hat eine eigene Vorstellung der Charaktere, diese können noch so ähnlich sein, sind aber nie gleich.

Was kann ich als Ergebnis aus der Storymap ableiten?

Die Storymap ist auch ein Werkzeug für Visionäre, um ihre Vision zu vermitteln und für Gruppen, um gemeinsam Visionen zu erarbeiten. So kann am Ende eines Story Mapping Workshops jeder Beteiligte nachvollziehen, auf was einzelne Aspekte einzahlen und welche Priorität sie haben. Die unterschiedlichen Nutzer und die verschiedenen Stränge ihre Reise durch die Anwendung oder das Vorhaben werden sichtbar.

Dabei kann der gesamte Umfang der Vision oder des Produktes visualisiert und vermittelt werden und mit Hilfe der User Story Map wieder reduziert, priosrisiert oder in unterschiedliche und verdaubare Häppchen heruntergebrochen werden.

So kann zum Beispiel im Rahmen einer Softwareentwicklung eine Storymap auch bei der Release-Planung unterstützen und den Umfang unterschiedlicher Versionen definieren.

Wann ist eine Story Map hilfreich, wann nicht?

Genau wie man mit einem Hammer keine Schrauben einschlagen würde, ist auch die Storymap nicht für alle Vorhaben gleichgut geeignet. In jedem Fall hilft aber eine Storymap Klarheit zu schaffen und unterstützt die Kommunikation.

Werden die Vorhaben größer und die Zusammenhänge schwieriger zu überschauen, so entwickelt sich zunehmend eine Komplexität. Ist die Aufgabe hingegen eher klein, sind die Herausforderungen altbekannt oder einfach zu lösen, so handelt es sich eher um ein kompliziertes als um komplexes Vorhaben.

Storymaps eignen sich gut, um komplexe Zusammenhänge zu strukturieren und zu visualisieren.

Weniger eignen sich Storymaps dazu, beispielsweise alle Details eines Softwareprojektes zu erfassen und zu definieren und dadurch eine Anforderungsvollständigkeit zu erreichen.

Insofern bringt dieser Ansatz immer eine Restunsicherheit mit, über die sich alle Beteiligten klar sein müssen. Aber genau in dieser Unvollständigkeit liegt auch ein großer Vorteil der Methode, denn sie bilden die Realität komplexer Vorhaben besser ab als beispielsweise detaillierte Spezifikationen.

Was sind für Softwareentwickler die Vorteile gegenüber einem Lastenheft und Pflichtenheft?

In einem Lastenheft beschreibt klassischerweise der Kunde oder Auftraggeber, was er vor hat und was der Entwickler am Ende liefern soll. Auf Basis dieses Lastenheftes erstellt der Entwickler dann ein Pflichtenheft, in dem sehr detailliert dargestellt wird, wie das Vorhaben technisch umgesetzt werden soll.
Sind sich am Ende beide Parteien über das Was und das Wie einig, werden die Dokumente unterschrieben und bilden die Basis für das Projekt und die Aufwandsabschätzung der Entwickler. Änderungen oder Abweichungen sind bei diesem Ansatz per se nicht vorgesehen, so werden meist später Änderungsanforderungen formuliert, die erneut beschätzt, freigegeben und gesondert berechnet werden.
Bei kleineren oder überschaubaren, und somit eher komplizierten Softwareprojekten ist dieser Ansatz genau richtig. Die Praxis hat aber gezeigt, dass dieses Vorgehen in größeren, also komplexen Softwareprojekten sehr selten erfolgreich ist.

Entweder sind die Anforderungen unvollständig, und somit die Budget-Abschätzung ebenfalls. Oder die Anforderungen sind zu detailliert, so das fehlende Freiräume bei auftretenden Problemen oder unvorhergesehenen Schwierigkeiten dazu führen, den Budgetrahmen ebenfalls zu sprengen.
Eine weitere, häufig auftretende Schwierigkeit in größeren Projekten ist, dass trotz sehr genauer Spezifikationen am Ende festgestellt wird, dass es bei der Umsetzung doch zu Missverständnissen gekommen und das Ergebnis nicht so ist, wie es sich der Auftraggeber vorgestellt hatte.
Die Storymap vermittelt zum einen initial ein geteiltes Zielbild. Dabei bleibt es untechnisch und durch Verständnisfragen und Erläuterungen, sowie das bewusste Vermeiden von zu vielen Details an dieser Stelle, wird das Bild immer deutlicher.
Zum anderen wird im weiteren Projektverlauf durch die regelmäßige Abstimmung darüber ermöglicht, das gemeinsame Verständnis immer wieder abzugleichen und Veränderungen zu kommunizieren.

Story Mapping Workshop

Welchen Umfang hat ein User Story Mapping Workshop?

Der Umfang eines Storymapping Workshops variiert bei uns in der Regel zwischen einem halben und zwei Tagen, abhängig von der größe des Vorhabens und der Anzahl der Beteiligten.

Der Workshop unterteilt sich dann in verschiedene Abschnitte, hier nur ein grober Überblick. Zunächst formulieren wir gemeinsam die Vision des Vorhabens (in reduzierter Form, aber angelehnt an Roman Pichlers Product Vision Board). 

Danach werden die verschiedenen Stakeholder identifiziert, also Beteiligte, die das Produkt oder Vorhaben in irgendeiner Weise nutzen oder dies es tangiert. Sie werden in Form von sogenannten Personas (ebenfalls in reduzierter Form) dargestellt um später ableiten zu können, in welcher Form sie das Produkt nutzen und welche Anforderungen sich daraus ergeben.

Die Storymap wird dann zunächst in Form des sogenannten Backbones begonnen, auf dem in zeitlicher Reihenfolge die groben Benutzeraktionen, sogenannte User Tasks aufgereiht werden. Diese User Tasks werden in Teilschritte, den Aktivitäten gruppiert und danach in weitere Einzel-Stories zergliedert. Am Ende ist alles priorisiert und idealerweise bereits grob einzelnen Releases zugeordnet.

Das könnte dann so aussehen

Wer sollte an einem Story Mapping Workshop teilnehmen?

Damit die relevanten Aspekte möglichst umfangreich sichtbar werden und damit alle Fragen geklärt und ein gemeinsames Verständnis der einzelnen Stories reifen kann, sollten möglichst alle relevanten Beteiligten beim initialen Mapping Workshop mitwirken. Das können sowohl Geldgeber, Sponsoren und Entscheider, als auch Mitarbeiter der Fachabteilungen oder andere Beteiligte sein. 

Als Nagelprobe könnte die Frage dienen, „Können wir während des Workshops alle relevanten Fragen klären und alle notwendigen Entscheidungen treffen?“.

Ergebnisse – Story Map als Basis für eine Abschätzung

Uns als Entwicklern hilft das Ergebnis des Story Mapping Workshop dabei, eine Kosten-Abschätzung des Vorhabens vornehmen zu können.

Wie bereits oben erwähnt, bleibt ab einem gewissen Projektumfang naturgemäß eine Restunsicherheit. Aber aus unserer Erfahrung liegen wir mit Aufwandsabschätzungen, die auf einem gemeinsamen Story Mapping Workshop basieren, in der Regel ziemlich gut.

Für unsere Kunden ist die fertige Map nach einem Workshop häufig das erste Mal, dass sie ihre Produktvision visualisiert, recht vollständig und gut strukturiert vorliegen haben.

Da sich Storymapping in der professionellen Software- und Produktentwicklung inzwischen etabliert hat, können auf der Basis der Story Map häufig auch bei unterschiedlichen Anbietern Aufwandsabschätzungen angefragt werden.

Wie geht es nach dem Workshop weiter?

Im weiteren Projektverlauf kann die initiale Map für die regelmäßigen Abstimmungsmeetings als Grundlage dienen und entprechend den Gegebenheiten aktualisiert oder angepasst werden.
So lebt die Map idealerweise als Abbild mit dem Produkt und sollte im besten Fall für alle Projektbeteiligten dauerhaft gut sichtbar sein. Viele Teams hängen die Maps prominent im Flur oder im Besprechungsraum auf, damit sie sie täglich im Blick haben.
Verteilt arbeitende Teams oder aktuell vermehrt durch Corona-bedingte Arbeit im Homeoffice haben allerdings häufig die Herausforderung, regelmäßig an einer physisch im Büro vorhandenen Map zu arbeiten.

Remote-Workshop

Daher sind wir dazu übergegangen, die Story Mapping Workshops mit Kunden und Entwicklern remote durchzuführen und die Maps selbst ebenfalls auf einem elektronsichen Whiteboard für alle jederzeit verfügbar vorzuhalten.

Einen Story Mapping Workshop remote durchführen

Jeder weiß, dass die Energie im Raum und die Kreativität einer Gruppe sich nicht virtualisieren lässt. Wir haben dennoch über die letzten Jahre sehr gute Erfahrungen mit Remote-Workshops gemacht und verschiedene Formate und Tools ausprobiert.

Welche Tools gibt es für remote Story Mapping Workshops?

Es gibt Tools, die auf die Erstellung von Storymaps spezialisiert sind. Einige haben wir getestet und aus unserer Sicht können sie gerade unerfahrenen Nutzern helfen, sich durch die einzelnen Aspekte einer Storymap zu bewegen und die Informationen zusammen zu stellen. Auch lassen sie sich zum Teil direkt mit Issue-Trackern, wie beispielsweise JIRA verbinden, wodurch die entstehenden Stories der Map, direkt im Backlog des Ticket-System angelegt und synchron gehalten werden. Das kann einen echten Mehrwert gegenüber den klassischen Stories in Form von Zetteln auf dem Büro-Whiteboard darstellen, wenn extensiv mit Map und Backlog gearbeitet wird.

Als flexible Alternative oder für erfahrenere Workshop-Moderatoren eignen sich auch Online-Whiteboards sehr gut, auf denen frei gestaltet und zusammen gearbeitet werden kann.
Für uns hat es sich bewährt mit einem Online-Whiteboard einen Workshop-Ablauf mitsamt Agenda, Vorstellungsrunde, Erklärung der Storymapping-Methode und gemeinsamen Arbeitsaufgaben zu gestalten, dass wir in unterschiedlichen Ausführungen als Workshop-Vorlage nutzen können.

Fazit

Aus Sicht eines erfahrenen, agilen Entwickler-Teams bietet die Storymap viele Vorteile in einem agilen Umfeld. Allerdings gilt es auch, einige Aspekte zu beachten oder in den richtigen Kontext zu setzen, damit ein Story Mapping Workshop die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllt.

Was aus unserer Sicht für ein User Story Mapping spricht
  • Aus unserer Sicht ist die Story Map ein hervorragendes Werkzeug, um zu Beginn eines Projektes die Vision des Vorhabens zu vermitteln und einen strukturierten Überblick zu bekommen.
  • Im ganzen Projektverlauf oder dem Produktlebenszyklus kann die Storymap helfen, einen Blick auf den aktuellen Stand des Projektes zu werfen und den Überblick zu behalten, sowie die Zusammenhänge im Vorhaben zu visualisieren.
  • Backlogs werden durch die eindimensionale Ansicht schnell unübersichtlich, wenn sie wachsen und können mit Hilfe einer Storymap durch die zweite Dimension gut strukturiert und priorisiert werden.
  • Dabei fördert der recht hohe Abstraktionsgrad zum einen den Austausch über den Inhalt, zum anderen lässt es genug Freiräume zur Ausgestaltung und für Veränderungen.
  • Neue Team-Mitglieder können relativ schnell eingeführt werden und mit einem Überblick das Gesamtvorhaben grob erfassen.
  • Eine Storymap bildet für uns eine gute Grundlage für eine Schätzung. Häufig können bei einer Kundenanfrage noch keine klaren und abschätzbaren Anforderungen benannt werden. In dem Fall hilft sowohl uns als auch den Kunden der Storymapping Workshop, eine gute Basis zu schaffen.
Zu beachten gilt es beim User Story Mapping aus unserer Sicht
  • Eine Storymap ist unvollständig und wird es immer sein, das muss allen Beteiligten klar sein. Sie liefert einen groben Überblick und ist daher als solches nicht alleine ausreichend zur Umsetzung eines Vorhabens. Es können weitere Details erforderlich sein, wie Mockups oder Spezifikationen um das Vorhaben in Software zu gießen.
  • Beim Erstellen einer Storymap erfordert es einige Erfahrung, die Anforderungen vernünftig „zu schneiden“. Die einzelnen Stories sollten nicht zu groß, aber auch nicht zu klein sein, damit die Map insgesamt ein rundes Bild ergibt und gut nutzbar ist.
  • Die Map muss leben, das heißt, sie muss regelmäßig mit allen Beteiligten betrachtet und angepasst werden, damit sie ihr Potential entfalten kann. Das erfordert entsprechend Zeit und sollte auch beispielsweise in den Sprint-Meetings mit eingeplant werden.
  • Wichtig ist die prominente Plazierung und gute Erreichbarkeit für alle Beteiligten bei der täglichen Arbeit. Sei es im Durchgangsflur, dem Besprechungsraum oder in digitaler Form auf einem Online-Whiteboard. Ansonsten verblasst der initiale Wow-Effekt nach einiger Zeit und Realität und Map laufen auseinander.