Eine effektive online Team-Retrospektive, die wirklich Spaß macht

Es ist wieder soweit, der letzte Freitag des Monats steht an und wir wollen wissen: Was war gut? Was treibt uns voran? Was war nicht besonders gut? Was bremst uns aus? Wie könnten wir uns bessern oder genauer: was sollten wir in Angriff nehmen? Viele Fragen an einem Freitagmorgen, dennoch super hilfreich für den darauffolgenden Monat. Aber erst einmal eine Tasse Kaffee holen und ankommen…
 

Retro-what?!

Eine Retrospektive „bezeichnet einen Rückblick auf bereits geschehene Ereignisse“ (Quelle: Wikipedia). 

Wir reflektieren also, was im vergangenen Monat, im vergangenen Sprint oder beim gestrigen Kundenmeeting geschehen ist. Dabei gehen wir sowohl auf Positives als auch auf Negatives ein, damit wir uns in Zukunft bessern können.

Für die Art und Weise der Durchführung gibt es sicherlich zig verschiedene Möglichkeiten. Ich beschreibe einmal die Art, wie wir bei Webrunners gerne unsere monatliche Team-Retro durchführen, in der Remote-Variante, da dies heutzutage immer mehr Gang und Gebe wird. Daher: Please don’t judge! Jeder führt die Retro anders durch, man muss für sich und das Team die Art wählen, die nun mal am besten passt. 

Als grobe Struktur einer Retro und auch dieses Blogartikels würde ich daher folgende Agenda wählen:

#1 Moderator bestimmen
#2 Tool wählen
#3 Erstmal aufwachen
#4„Butter bei die Fische!“
#5 Let’s vote and discuss
#6 Action Items
#7 Abschluss

#1 Moderator:in bestimmen

Der/die Moderator:in einer Team-Retro sollte schon spätestens einige Tage vorab bestimmt werden, damit er/sie sich darauf vorbereiten kann. Im besten Fall meldet sich am Ende jeder Retro jemand freiwillig als Moderator:in für die nächste Retro. Er/sie wählt ein geeignetes Tool und entscheidet sich für eine Variante der Vorgehensweise. Denn nein, wir werden nicht alle oben gestellten Fragen beantworten. Es reicht vollkommen aus, sich für eine Art zu entscheiden, wie beispielsweise:

Was war gut? Was war schlecht? Wie lösen wir die vergangenen Probleme?

Oder

Was hat uns vorangetrieben? Was hat uns ausgebremst? Wen möchten wir heute besonders hervorheben?

Hierbei kann der/die Moderator:in noch kreativer sein und völlig andere Arten auswählen. Dennoch sollte beachtet werden, dass eine Retrospektive ein Rückblick ist. Wenn also jemandem etwas auf der Seele brennt, wäre dies die perfekte Gelegenheit, im Team darüber zu sprechen. Sehr Persönliches könnte im Nachgang dann aber doch mit dem Chef oder der Chefin unter 4 Augen besprochen werden, damit die Retro nicht zur Therapiesitzung wird 

#2 Tools verwenden

In Büros versammelt sich das Team im Stuhlkreis oder im Meetingraum und es können je nach Art und Weise der Durchführung mal wild Zettel geschrieben und sortiert werden und an Wände und Whiteboards fixiert werden. Aktuell (Stand Juni 2021) arbeitet unser verhältnismäßig kleines Team ausschließlich aus dem Homeoffice. Mittlerweile hat man sich daran gewöhnt und wir haben viele Tools und Möglichkeiten getestet und sind ein eingespieltes Team. Zoom als Kommunikationstool gehört für uns zum täglichen Austausch mit dazu, weshalb wir uns generell im Team immer im gemeinsamen Channel dort „treffen“, damit man sich auch mal sehen und Reaktionen wahrnehmen kann. Daher bietet sich natürlich eine Online-Team-Retro hervorragend an, weshalb ich folgend nur auf Beispiele von Online-Tools für Retros eingehen werde.

(Klassisch und flexibel kann beispielsweise unser geliebtes Miro Whiteboard verwendet werden, welches wir hier bei Webrunners für so ziemlich alles anwenden, was gesammelt festgehalten werden soll. Hier besteht die Möglichkeit, seiner Kreativität freien Lauf zu lassen. Man kann aber auch für sich die geeigneten Vorlagen wählen. Im folgenden Screenshot sieht man beispielhaft einmal die Miro-Vorlage „Quick Retrospective“ mit ihren 4 Abschnitten „What was good?“, „What was bad?“, „Ideas“ und „Actions“.)

Ein weiteres Tool, welches wir sehr gerne und auch in den meisten Retros verwenden ist Metro Retro. Wie der Name schon sagt, ist dieses Tool auf Online-Retros spezialisiert und bietet die verschiedensten und buntesten Boards als fertige Vorlagen an. 

Wir versuchen jedes Mal eine andere Vorlage zu wählen, für die Abwechslung halt.

Praktisch ist, dass alle Teammitglieder gleichzeitig ihre eigenen „sticky notes“ (wie man sie so schön nennt) schreiben und mit dem Team teilen können. Im besten Fall stellt man diese zunächst auf „nicht sichtbar“, damit die Kollegen nicht abgelenkt werden, wenn sie bei anderen erstmal mitlesen.

Ok, und nun: let’s go!

 #3 Erstmal aufwachen

Je nach Beginn der Team-Retro(spektive) könnte es sein, dass Teamkollegen:innen zunächst einmal „ankommen“ oder von der/dem Moderator:in der Retro „abgeholt“ werden müssen. Andere wiederrum waren schon lange fleißig und sind hochkonzentriert in ihrem Thema, müssen nun aber umdenken und Rückschlüsse zum vergangenen Monat ziehen. Dabei ist es besonders wichtig, dass alle Teamkollegen:innen anwesend sind… Nicht unbedingt physisch, denn Online ist eine Retro natürlich, wie bereits oben erwähnt, auch möglich. Aber mental sollten sie partizipieren, denn die Team-Retro betrifft ja das gesamte Team.


Für einen guten Start hilft natürlich immer ein kurzer Smalltalk, maximal 5 Minuten, bis dann auch der/die letzte Kollege:in in der Videokonferenz angekommen ist. Der/die Moderator:in sollte dennoch von Anfang bis zum Ende der gesamten Retro immer die Uhr im Blick haben, damit nichts zu sehr in die Länge gezogen wird und Themen ggf. ausschweifend und über die Maße ausdiskutiert werden. Nun sind alle locker und bereit für einen humorvollen Einstieg. Humorvoll? Das ist doch Arbeit!

Vor Kurzem haben wir damit begonnen, eine Retro mal anders zu starten. Statt mit dem klassischen „So, jetzt schreibt mal jeder direkt auf, was im vergangenen Monat gut oder nicht so gut war“, hat unsere liebe Kollegin das Meeting gestartet mit folgender Aufgabe: „Schaut euch mal in eurer nächsten Umgebung um, völlig egal, wo ihr gerade sitzt, und wählt einen beliebigen Gegenstand aus, der euer aktuelles Befinden wiederspiegeln könnte“. Alle Augen wurden groß und grinsende bis verzweifelte Gesichter erschienen in den Zoom-Video-Fenstern.

Was könnte wohl deutlich machen, dass ich heute etwas ausgelaugt bin von der vergangenen Woche, aber hoffe, dass ich nach der motivierenden Retro wieder voll einsatzfähig bin? Klar – die vertrocknete Ingwer-Knolle im Obstkorb! Ehrlich gesagt, habe ich diese zuerst gefunden und mein Talent zum Storytelling angewandt. Aber das Gelächter war groß und auch alle anderen meiner Kollegen hatten die witzigsten und kreativsten Erläuterungen Ihres Wohlbefindens parat. Ziel erreicht – wir waren wach und voller Tatendrang.

Diese und auch viele andere „ice breaker“ sind wunderbare Start-Alternativen einer Retro und helfen dabei, die Atmosphäre ein wenig aufzulockern.

#4 „Butter bei die Fische!“ aber Lob ist auch erlaubt

Jetzt wird’s ernst, zumindest werden weitere Hirnzellen beansprucht. Der/die Moderator:in gibt uns eine bestimmte Zeit vor, in der wir die vorgegebenen Punkte einmal reflektieren und eigene Notizen schreiben. Für jeden Punkt gibt es beispielsweise jeweils 5-10 Minuten Zeit mit kurzem Stopp dazwischen oder einfach eine gesamte Zeit von 15 Minuten, um querbeet zu jedem Punkt etwas zu schreiben, was einem gerade so im Kopf herumschwirrt. Die digitale Stoppuhr läuft und alle fangen an zu tippen. Mein Tipp: Mikro ausschalten! Oft werden euphorisch und mit viel Elan die eigenen Gedanken hastig heruntergeschrieben, wobei das laute Tippen so manche Kollegen aus dem Konzept bringt.

Auch Lob ist erlaubt. Wenn es dafür kein eigenes Fenster gibt, schreiben wir auch gerne mal ein Lob in die Kategorie „Was war gut?“. Dies motiviert Einzelne enorm und spornt Andere ggf. auch an.

Es wird nie festgelegt, wie viele Sticky Notes wir zu den jeweiligen Themen zu schreiben haben. Jeder notiert halt das, was er in der Retro erwähnen und ggf. besprechen möchte. Wenn jemand schon nach 5 Minuten fertig ist, dann ist das auch in Ordnung.

Ist die Zeit vorbei, macht der/die Moderator:in darauf aufmerksam und lässt noch den Satz zu Ende schreiben.

#5 Let’s vote and discuss

Der Reihe nach liest nun jeder seine Notizen vor, nachdem er/sie sie für alle sichtbar gemacht hat. In dem Moment wird noch nicht diskutiert, denn es bestünde die Gefahr, dass andere dann mit ihren Notizen gar nicht mehr drankommen. Wenn alle ihre Notizen geteilt und vorgelesen haben, versuchen wir gemeinsam, die negativen Aspekte nach Themen zu gruppieren, da sich einiges wiederholen kann oder zusammengehört. Dies verschafft uns auch einen guten Überblick und fasst die wesentlichen Themen gut zusammen, die nicht gut gelaufen sind und worauf wir noch einmal eingehen sollten.

In Metro Retro gibt es nun die Möglichkeit, zu voten. Bedeutet: jedes Teammitglied erhält eine bestimmte Anzahl von Votes, die der Moderator bestimmt, und kann für die Themen abstimmen, die ihm/ihr besonders am Herzen liegen. Je nach Anzahl der abgegebenen Stimmen, werden die 3-5  Themen mit den meisten Votes nun nach der Reihe im Team besprochen (oder auch mehr; die Anzahl variiert hier natürlich je nach Ausmaß der Diskussionen). Was war nicht so gut und wieso? Und viel wichtiger: wie können wir dies verbessern? Entweder gibt es schon Vorschläge in einem Fenster „Ideen“ oder wir finden gemeinsam im Team Ideen, welche wir festlegen oder zumindest einmal ausprobieren möchten. Notizen, die am Retro-Tag nicht mehr besprochen werden, sollten auch nicht für das nächste Mal vorgemerkt werden, denn wie sagte unser lieber Chef Adrien so schön: „Sollten diese Probleme in einem Monat noch bestehen, dann werden sie sowieso wieder erwähnt. Wenn nicht, dann hat sich das Problem geklärt.“

#6 Action Items

Runtergeschriebene Action Items sind perfekt, um besprochene Lösungen gesammelt festzuhalten. So kann jeder zusammengefasst sehen: Was ist jetzt zu tun bzw. wer kümmert sich? Dafür legen wir neben dem gesamten Board eine kleine Liste an, in welcher wir notieren, wer sich darum kümmert, dass ein bestimmter Lösungsvorschlag umgesetzt wird. Oder aber: wir notieren eine neue Regelung, mit der alle einverstanden sind und welche wir im Team testen möchten. Im besten Fall werden festgelegte Regelungen im Nachgang in unserem Webrunners Manifesto eingetragen, damit auch jeder alles nachlesen kann, falls er an der Team-Retro nicht teilnehmen konnte oder gar neu im Team ist. Traumhaft wäre dann natürlich, genau diese Punkte in der darauffolgenden Retro zu reflektieren, was aber manchmal in Vergessenheit gerät.

#7 Abschluss der Retrospektive

Nach der Zusammenfassung unserer Action Items ist die Retro eigentlich auch schon fast beendet. In den meisten Fällen gehen wir alle gut gelaunt und voller Tatendrang aus dem Meeting und freuen uns, dass wir unsere Anliegen besprechen konnten und dass auch von anderen Kollegen diverse Punkte als positive Ereignisse erkannt wurden.

Wir im Team sind, ausgenommen von unserem Chef, nicht die geborenen Moderatoren:innen, dennoch versuchen wir für die Abwechslung immer mal jemand anderes aus dem Team zu bestimmen, der die nächste Team-Retro moderiert, denn der Ablauf ist ja keine komplexe und themenspezifische Präsentation. In den meisten Fällen melden sich Freiwillige. Und damit ist nun der nächste Kollege an der Reihe und könnte im nächsten Monat Ideen sammeln für eine neue kreative Remote-Team-Retrospektive. Wir freuen uns bereits auf die nächste Retro!